Kein Lokal weit und breit, es schifft in Strömen und die letzte Auster hatte ein Stich? Willkommen in Südfrankreich im Wonnemonat Mai!
Sie kennen das: Man pfeift buchstäblich auf dem letzten Loch und setzt alles auf eine Woche dort, wo es natur- und erfahrungsgemäß schön ist, sein muss, weil diese Woche Ferien wie die Feuer von Minas Tirith leuchtet. Weswegen man sich mangels Vorstellungskraft und Zeit weder um den aktuellen Wetterbericht noch um nähere Details zur Location gekümmert hat, weil für Letzteres ein Navi ins Leihauto gebucht und überhaupt sind wir doch jedes Mal einfach so herumgekurvt mit den erfreulichsten Ergebnissen. Diesmal nicht. Toulouse empfing uns stürmisch und gut 10 Grad kälter als das gerade verlassene München. (Ja, wir hatten die Badesachen dabei.)
Am Flughafen den Leihwagen geholt, der dann ohne Navi kam, dafür mit einem nicht aufgeladenen „losen“ Gerät aufgepimpt wurde und – Überraschung – entgegen der Dame am Europcar-Schalter dann doch ein Navi besaß. Immerhin. Durch die Stadt zum ersten Domizil, an der Ausfahrtstraße im schönen Industriegebiet springen drei Gestalten aus dem Gebüsch am Mittelstreifen und schwenken ihre Betteldosen. Wir gucken geradeaus, wie die anderen Autofahrer. Es regnet ein wenig, dann kommt die Sonne raus. Unser Hôtel La Flânerie ist bald erreicht. Halbeneune – ausgehungert ins erste beste Lokal, das ein reines Fisch-Menü offerierte, welches aber nicht von schlechten Eltern war. Das Fischlokal Le Clapotis reichte ein Riesen-Seafood-all-you-can-eat-Buffet (alles kalt), zwei! Fischgänge und Dessert. Vorab sechs Austern pro Person, die der beste Gatte alle auf sich nahm. Hotel, Zimmer, Betten gut. Ausblick auf die träge Garonne, im Hintergrund die Lichter von Toulouse. Noch auf der kleinen Terrasse ein letztes Weinchen geschlürft, eingepackt in drei Schichten. Kalt.
Am nächsten Tag Richtung Pamiers, wo es an diesem Wochenende ein Belle-Epoque-Fest hatte, was aber schon ordentlich verregnet war und uns nur durch die schönen alten Autos auf dem Marktplatz auffiel. Zwei Noisette und ein Crêpe. Weiter. Abends dann ins teuerste Lokal am Platze, da alle anderen auf den Sonntag geschlossen hatten. Im Le Bellevue (das wirklich gut ist) futterten wir uns an diesem Abend als einzige Gäste durchs Menü, was der Chef uns mit Baby auf dem Arm servierte. Das Restaurant hat eine schöne Terrasse zur Garonne, was aber aufgrund der Temperaturen auch nichts nützte.
Nächster Tag: Albi, die Stadt von Toulouse Lautrec. Niesel, Schnürlregen, Dauerregen. Wunderschöne Örter in wunderschöner Landschaft, herrliche Alleen. Keine, aber auch gar keine Bar geschweige denn Brasserie auf der Strecke – zumindest keine, die geöffnet hatte. Der Gatte ist unwohl. In Albi angekommen (mittlerweile Sintflut von oben) in die nächste Brasserie am Platze – Essen bestellt, dem Gatten wird schlecht, worauf er die sanitären Einrichtungen aufsuchen muss, während die Gattin rasch zahlt. Retour. Da die Gattin nicht fahren kann, muss der Gatte dran glauben. Langsam, quasi Meter für Meter, schwimmen wir zurück ins Flanerie. Kurze Pause an einer mittelalterlichen Mauer im Regen, der das gestrige Cassoulet (oder die vorgestrigen Austern?) gnädig in die Gosse spült. Das Flanerie erreicht. Der Gatte ist der Held des Tages und geht um vier Uhr nachmittags zu Bett. Kein Abendessen. Und das in Frankreich.
Nächster Tag: Aufbruch zu unserer zweiten Location. Weingut Domaine De La Ramade in Armissan Nähe Narbonne, weil, wir wollten ja auch das Meer sehen. Und Wein trinken. Wetter düstert vor sich hin. Gatte besser, wir gondeln langsam Richtung Wasser. Ankunft gegen Nachmittag, ein bisserl Herumgesuche und dann einen langen, schlammigen Weg bergauf (Reminder: nächstes Mal einen Landrover buchen!). Und da steht es dann: ein wunderschönes (ehrlich!) großes Gut im feuchten Nebel. Anyway…
Wir werden freundlichst in Empfang genommen, Zimmer hübsch. Ruhigste Idylle soweit man sehen kann, wenn man denn etwas sehen könnte. Wir sind trotzdem guter Dinge, da der Gatte einen kleinen Appetit verspürt. Weil es da oben aber nix zu beißen gibt, rein in die Karre, die sich mittlerweile wie unser kleines Eigenheim anfühlt, und runter ans Meer, was nicht weit ist.
Narbonne Plage ist das Strandkaff, an dem wir entgegen gesunden Menschenverstandes doch ein paar Bars vermuten. Dem ist auch so. Es grüßt der ganze Charme von Jesolo. Das Meer brüllt den Strand und die davor liegenden Glaskästen an, was uns nicht weiter wunderte. Die eine geöffnete Bar – eingeklemmt zwischen Bausünden-Etablissements namens „Harlekin“ und „Acapulco“, die eventuell im Hochsommer erfolglos den Zauber der Copacabana zu beschwören versuchen – serviert uns immerhin einen guten Kaffee (und Tee für den Magen bedingt noch vorsichtigen Gatten), was – obwohl wir quasi die einzigen Gäste sind – umgehend abkassiert wird. Wir ordern noch einen Kaffee und ein Crêpe, was der nette junge Mann wiederum sofort abkassiert. Er geht recht in der Annahme, dass hier jeder sofort flüchten möchte. Was wir dann zwecks eines Spaziergangs am Meer lang auch tun. Es nieselt nur leicht. Wir haben Hunger. Warnung: gehen Sie niemals links am Strand herunter. Zumindest nicht außerhalb der Saison, die bekanntlich nur im Juli und August auf hat. Wir kommen in die Urlaubsgeisterstadt, heimelig wie sonst nur amerikanische Caravan-Parks für die gescheiterten Existenzen. Eine Tapas-Bar. Ein paar Jugendliche, die auf der Suche nach was auch immer herumstreichen. Eine insgesamte Trostlosigkeit, die dir an die Seele greift und ja, du möchtest dir die Architekten dieser Katastrophe vorknüpfen, aber die haben vor Jahrzehnten ihren Reibach gemacht und liegen wahrscheinlich in Nizza am Strand.
Wir steigen ins Auto und fahren die andere Richtung ab. Der nächste echte Ort ist Gruissan, es schifft. Es ist 18 Uhr. Wir parken und schauen uns nach einem Lokal um, aber das ist natürlich jetzt die falsche Zeit. Vor Sieben/Halbacht gibt’s nichts zu Essen. Café de la Paix. Kaffee, Tee, Spielsalon-Atmosphäre, wir gehen wieder raus in den Regen. Aber das macht nichts, denn jetzt besorgen wir Baguette und Käse und verschieben größere Gelage auf den nächsten Tag. Auf dem Weinberg lassen wir uns ein Fläschchen wunderbaren Roten geben und schnabulieren unsere Leckereien auf dem Zimmer. Wir haben Hoffnung: morgen wird’s bestimmt schön. Der Gatte isst immerhin ein paar Chips. Ab ins Bett. Licht aus. Fünf Minuten später: Mückenattacke. Weil wir schlau sind, haben wir natürlich unser bewährtes Mückenspray dabei. Dass das funktioniert hat sich allerdings bei den Mücken von La Ramade noch nicht herumgesprochen. Wir schlafen nicht. Gar nicht. Irgendwann stehen wir auf, laufen herum. Die Mücken hängen im Schwarm an uns. Mit dem Morgengrauen ist Schluss. Sie machen (50+ an der Zimmerdecke) vollgesogen ein Schläfchen. Zu diesem Zeitpunkt geben wir uns geschlagen und beschließen umgehend, sofort, jetzt gleich nach Hause zu fahren.
Wir schleppen uns blutleer in den Frühstücksraum. Der nette Mann gibt uns ein gutes Frühstück. Selbstgemachte Marmelade, eigener Honig, knusprige Croissants. Es nutzt nichts. Nous sommes désolés. Zahlen und nichts wie weg hier.
Wir fahren nach Toulouse.
Zwischenstation Carcassonne. Wir sind schließlich im Urlaub und wollen nicht freudlos sein. Die Festung dräut über dem Städtchen, Parkplatzsuche. Banger Gedanke an die Koffer im abseits geparkten Wagen, der uns aber nicht vom Aufstieg abhält. Disney-Land lässt grüßen. Saint Paul ist dagegen authentisch. Der Gatte isst ein wenig Pasta, die Gattin einen Salat mit Ziegenkäse, den sie im Perigord dem Koch um die Ohren gehauen hätten. Furchtbarer Ort. Nichts wie weg. Weiter, weiter…
Durch Toulouse zum Airport, die hohläugigen Gestalten springen mit ihren Dosen ums Auto. Wir schauen geradeaus. Es regnet Katzen und Hunde. Direkt zum Flughafen, weil wir uns denken, dass wir besser gleich vor Ort umbuchen. Parkplatz JWD, aber das macht nichts. Nun, da wir uns entschlossen haben, den Trip in die Tonne zu treten, kann uns nichts mehr halten. Auch nicht, dass es in Toulouse keinen Lufthansa-Schalter zum Umbuchen gibt und wir diesen Vorgang telefonisch auf einer Bank in der lärmenden Schalterhalle erledigen. Auch nicht, dass der verflixte Parkplatz keinen Zahlautomaten in Reichweite hat. Weswegen die klatschnasse Frau Gattin das Gelände absucht, bis sie diesen erfolgreich entdeckt. Auch nicht, dass der Taxifahrer, denn wir nach Abgabe des Leihautos zum nächsten Flughafenhotel besteigen, meint, dass wir bis dahin doch hätten laufen können. Auch nicht, dass die Nacht am Flughafen ohne Frühstück teurer kommt, als mit in unseren netten Unterkünften. Manchmal kann eben nur ein richtiger Ami-Schuppen wie das gewählte Radisson Blu helfen. Zu diesem Zeitpunkt sind wir leicht erschöpft und froh, dass wir am nächsten Morgen um 6 Uhr fliegen. Wir gehen in die Bar des Radisson – geöffnet! – und ordern Burger mit Pommes. Über den Innenhof tagt eine Airbus-Mitarbeiterbelustigung. Man grillt an riesigen Ami-Grillstationen, alle schön in lange Schürzen gesteckt. Airbus ist ja vor der Tür, da geht man wohl nicht in die Stadt. Die Mitarbeiter sind bestens gelaunt, das großes Betrinken startet gerade. Wir schauen noch ein Weilchen zu.
Dann fallen wir ins Bett und gucken BBC. Am nächsten Morgen bringt uns ein Shuttle-Bus vom Hotel direkt zur Abflughalle. Alles läuft wie am Schnürchen. In München gönnen wir uns eine Taxe nach Hause. Man soll nie am verkehrten Ende sparen.
Fazit: Es hat nicht sollen sein. Dennoch: wir haben nicht gestritten. Kein einziges Mal. Denn eines ist wahr: in guten wie in schlechten Zeiten und besonders bei den letzteren heißt die Devise Haltung bewahren. Und nur nicht den Humor verlieren ;-)