Von Istanbuler Teppichhändlern

Touristen, die nach Istanbul reisen, müssen wissen: alles, was im einschlägigen Reiseführer zum Thema Teppichhändler steht, stimmt. Trotzdem, gerade deshalb, oder weil es nicht anders ging, kann der versierte Istanbuler Teppichhändler tumbe Touris wie uns in sein dunkles Lager schleppen, aus dem nur mit äußerster Willenskraft ein Weg ohne Teppich unterm Arm hinausführt. So geschehen auch beim Besten Gatten und mir, die selbstverständlich von Schleppern gelesen hatten, die gegen ein paar Prozente potenzielle Kundschaft dem Teppichhändler ihres Vertrauens zuführen. Der reizende junge Mann vorm (aufgrund von Feiertagen geschlossenen) großen Basar zeigte sich jedenfalls ganz und gar unglücklich, dass wir armen Istanbulbesucher dieses Wunder nicht besichtigen konnten und erbot sich, uns trotz Feiertag hinter die verschlossenen Türen zu geleiten. Ich schwöre es Ihnen: nicht eine einzige Alarmglocke klingelte in unseren reizüberfluteten Hirnen, die vom Gewusel außerhalb des geschlossenen Basars bereits Information Overflow signalisierten. Das wissen die Einheimischen natürlich;-)

In Istanbul gibt’s viele Teppiche

Wieso und weshalb wir mitgingen, kann ich Ihnen jedenfalls nicht genau erklären. Ich bin aber fast sicher, Sie wären auch mitgeschlappt. Um ein, zwei Ecken führte der junge Mann uns zu einem Hauseingang, an dem ein weiterer junger Mann wartete, der uns mit in einen Aufzug nahm und ins fünfte Stockwerk fuhr. Dort befanden sich a.) ein gigantisches Teppichlager und b.) drei weitere – nicht ganz so junge – Herren, die ihre Teppiche mit Verve an uns verkaufen wollten. Der liebe Mann und ich verstehen nichts von Teppichen (o.k., mal was von Kelims gehört), können uns keinen leisten, wollen keinen haben und es passt auch keiner in unser Heim, was aber die Herren nicht weiter störte. Im Gegenteil! Der eloquente Wortführer warf ein schickes Teil nach dem anderen auf den Boden, sprach von einmaligen Angeboten, die wir nur heute, nur jetzt (weil der Basar geschlossen) bekämen, etc. etc. Der Beste Ehemann und ich lieferten ein tapferes Rückzugsgefecht, die Jungs machten munter weiter. Irgendwann erklärten wir (oh, großer Fehler!) aus reiner Höflichkeit, dass “der Kelim da” in der Tat sehr schön sei. Die klugen Teppichhändler nahmen darauf an, sie hätten uns am Haken und zogen mit kräftigen Preisreduzierungen das vermeintliche Netz (mit uns als dicken Fischen) ein. Da sie mir jetzt doch ein klein wenig an die Nerven gingen (kein Tee, kein gemeinsam hinsetzen und palavern, kein Eingehen auf unsere Abwehr – nur knallharter Sales), ritt mich der Teufel und ich nannte (oh, ganz großer Fehler, steht in wirklich jedem Reiseführer! NIE TUN!) einen niedrigeren Preis.

Auch bei geschlossenem Basar: reges Treiben rundum

Das gilt beim Teppichhändler wie ein Deal, und so legte der gute Mann noch mal 20 Euro (oder Lira, das schwankt hier beim Handeln nach Gusto) drauf und fragte, ob ich das gute Stück jetzt nehme, einmalige Sache, Deal gilt nur heute. Zack, bumm: Mein Verstand setzte ein, dachte an Echtes, Unechtes, unsere Ahnungslosigkeit, Zölle, Ausfuhr, Transport (alles Themen, die die Jungs nicht mit einer Silbe erwähnt hatten!) und sprach kess: “Nein, wir kaufen nicht. Wir gehen jetzt.” Jetzt war der Mann (mit Recht laut Reiseführer) beleidigt und ließ uns ohne Abschiedswort von seinem Hiwi rausführen. Wir waren froh, weil wir kurzfristig schon geglaubt hatten, dass wir ohne Teppich nicht auf die Straße dürfen.